Ich habe zumindest in Seminararbeiten mehrfach mit Plagiaten zu tun gehabt. Der schlimmste Fall, war eine Seminararbeit, die lediglich aus Copy&Paste-Textabschnitten bestand, allerdings waren die Quellen im Unterschied zur Dissertation des Freiherrn zu Guttenberg in der Bibliografie vollständig angegeben, es fehlten „nur“ eigenständige Texte und die Kennzeichnung der Textteile als Zitat. Dann gab es noch ein paar Fälle, bei denen Seminararbeiten übersetzte Texte enthielt, ohne dass die Übersetzungen klar als Zitate gekennzeichnet waren. Ich habe in solchen Fällen mit den Plagiatoren klärende Gespräche geführt und die Arbeiten zurückgegeben, bei den minderschweren Fällen zur Überarbeitung, während in dem zuerst genannten Fall eine neue Arbeit angefertigt werden musste. In jenem Fall habe ich dem Studenten auch mitgeteilt, dass ich im Wiederholungsfall den Prüfungsausschuss informieren werde und dass sein Verbleib an der Universität dann gefährdet sein könnte. In den genannten Fällen ging es allerdings immer nur um Seminararbeiten und nicht um Qualifikationsschriften (Magister-, Bachelor- oder Diplomarbeiten), geschweige denn Dissertationen. Spätestens da muss Schluss sein mit der Verharmlosung, die wir in der Causa Guttenberg beobachten.
Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass die Universität Bayreuth sich darum gedrückt hat, ein Aberkennungsverfahren auf der Grundlage der Promotionsordnung durchzuführen, sondern lediglich eine Rücknahme der Entscheidung nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz durchgeführt hat, womit der Plagiator geschont wird. Ich hoffe, dass sich wenigstens die Kommission zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft noch deutlich zu Wort melden wird. Denn für die Wissenschaft ist ein leichtfertiger Umgang mit Plagiaten verheerend. Schon jetzt frage ich mich, was ich Studierenden in minderschweren Fällen sagen soll. Man wird dann fragen: wieso wird hier nicht einfach die Prüfungsleistung zurückgenommen und „Schwamm drüber“ – so wie bei Guttenberg?
Es gibt noch einen Aspekt, den ich nicht verstehe: Warum haben Doktorvater und Zweitkorrektor nichts bemerkt und noch dazu die Bestnote vergeben? Ich habe die Guttenberg-Dissertation in Auszügen gelesen und mir waren die Brüche sofort aufgefallen. Juristen sind zwar keine Linguisten, haben aber auch sehr viel mit Sprache, Texten und Formulierungen zu tun. Das muss denen doch aufgefallen sein. Betreuer und Zweitkorrektor können sich da nicht aus der Verantwortung stehlen. Auch das ist ein Fall für die Kommission zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft.
Sehr nützlich ist der Vorschlag, alle Doktorarbeiten künftig im Netz zu veröffentlichen. Meine Dissertation ist zwar noch aus der Klebelayout-Zeit, aber glücklicherweise bei Google Books einsehbar (leider unvollständig, ich werde mal mit dem Verlag sprechen, ob das auch anders geht). Hier liegt ja auch der ursprüngliche Sinn der Veröffentlichungspflicht für Dissertationen: dass jeder sehen kann, was da geschrieben wurde.
Die Frage ob man als Korrektor dieser Arbeit die fehlende Eigenleistung und die unterschiedlichen Stile und Formulierungen nicht hätte erkennen müssen habe ich mir in meinem Blog auch schon gestellt (http://j.mp/fYMdAS).
Juristische Texte und Dissertationen sind gewissen Regeln, Normen, Konventionen und Formalismen unterworfen. Dieser „Stil“ wird vom Beginn den Studiums bis zum Schluss gelehrt und in entsprechenden Haus- und Seminararbeiten durchexerziert bis er sitzt.
Ich gehe nicht davon aus, das sich der Studiengang Rechtswissenschaften in Bayreuth allzustark von den Rechtswissenschaften an der Bonner Uni unterscheidet, daher frage ich mich ob diese formellen Mängel dort nicht erkannt und üblicherweise nicht mit entsprechenden Notenabschlägen sanktioniert werden.
Auch wenn es speziell in Jura nicht sonderlich üblich ist solche „Typ II Dissertationen“ (Reputationsdissertationen) durchgehen zu lassen, so drängt sich der Verdacht auf das hier die Note eben nicht aufgrund der tatsächlichen Leistung gegeben wurde… bleibt die Frage: Was wurde warum benotet und wie kam das „summa cum laude“ letztendlich zustande?
Schlussendlich frage ich mich auch, ob es nicht ein wenig „über das Ziel hinausgeschossen“ war, dem Doktoranden eine solche Seltenheitsnote zukommen zu lassen. Es zieht eine Menge Aufmerksamkeit nach sich die früher oder später in der genauen Analyse und Bewertung eben jener „herausragenden“ Arbeit münden musste.
Angesichts der wirtschaftlichen und politischen Verpflechtungen des Herren zu Guttenberg, der CSU und der Universiät Bayreuth kann man zu dem Schluss kommen das es sich hierbei um ein Musterbeispiel der Korrumpierbarkeit einer wissenschaftlichen Institution handelt.
Schade um die gute Reputation der Uni, des Doktorvaters und der Zweitkorrektoren, die ist dahin und unwiederbringlich verloren.
> … ich werde mal mit dem Verlag sprechen, ob das auch anders geht
Hier sehe ich einen sehr schönen Ansatz für die gesamte akademische Welt: Transparenz durch Veröffentlichungspflicht schaffen. Wer nicht komplett veröffentlicht, der macht sich verdächtig.
Welche praktischen Gründe könnte es geben, nicht zu veröffentlichen (Sponsoring, Betriebsgeheimnisse, ???)?
Das so wenige Dissertationen (oder auch niedrigere Qualifikationsarbeiten) online verfügbar sind, ist echt schade. Auch ohne das es darum ginge sie auf etwaige Plagiate zu prüfen.
Hm, die totale Verfügbarkeit kann auch Nachteile haben. Beispielsweise könnten Nicht-Akademiker Arbeiten völlig falsch verstehen und bei brisanten Themen könnte das jemandem zu unrecht schaden nur weil Sachen aus dem Kontext gerissen werden.
Aber das sollte nicht oft vorkommen und im Ganzen finde ich die Idee super.
Hi maha!
Deiner publizierten Meinung kann ich mich im vollsten Umfang anschließen!
In einem Punkt muss ich allerdings in Bezug auf Ingenieurswissenschaften widersprechen:
Eine Bachelor-, Diplom-, Master- und Doktorarbeit ist im Fach ingenieurwissenschaften anders Strukturiert. Im ersten Teil stellt man anhand von Literatur, DIN Normen oder auch anhand von Patenten den Stand der Technik dar. Hier muss man zwangsläufig viel „abschreiben„, da man eine derartige Arbeit auf dem allgemein verfügbaren ingenieurwissenschaftlichen Wissen aufbaut. Die eigentliche Arbeit folgt dann im Anschluss. Ein Ingenieur muss ein technisches Problem lösen. Sofern keine Lösung erfolgen kann, muss dies eindeutig nachgewiesen werden, wodurch er auch sein Wissen unter Beweis gestellt hat. Ist eine Lösung verfügbar so ist diese als Lösung für dieses Problem im Rahmen einer derartigen Arbeit dokumentiert werden.
In dem Fall, dass ich etwas neues erfinde, möchte ich mit Sicherheit nicht, dass meine Arbeit veröffentlicht wird. Entweder ich lasse mir diese dann patentieren (die Veröffentlichung erfolgt in diesem Fall später) oder nach eigenem Ermessen mit der Arbeit tun und lassen können was mir gefällt. Wenn ich meine Diplomarbeit nun, nach Abschluss meines Studiums, verbrennen möchte, so soll und darf mich niemand daran hindern.
Sicherlich ist der Herr Freiherr zu Guttenberg ein negatives Beispiel, jedoch ist es nach derzeitigem Recht so, dass der Inhalt einer wissenschaftlichen Arbeit dem Urheber gehört und das finde ich gerade bei ingenieurwissenschaftlichen Fachbereichen auch richtig so. Ein Unternehmen stellt sich schließlich Diplomanden und danach Ingenieure ein, um einen technischen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Wäre es hier nicht für die deutsche Wirtschaft kontra produktiv, wenn ein Unternehmen die Diplomarbeit eines Diplomanden veröffentlichen müsste?
Und sieh es doch mal so:
Durch meine nicht veröffentlichte Arbeit, wird auch kein zukünftiger Student diese abschreiben können. 😉
Nachschub:
Nachnamen A-D
Nachnamen E-G
Nachnamen H-J
Nachnamen K-M
Nachnamen N-R
Nachnamen S
Nachnamen T-Z
Zweifellos ist die Promotionsordnung der Uni Bayreuth in Bezug auf das Verwaltungsverfahrensgesetz vorrangig (lex specialis). Deshalb oblag es ausschließlich der Promotionskommission die Frage nach der Täuschung eindeutig zu beantworten. Wird sie Frage verneint, so sind diejenigen Gründe zu benennen, die zum Erlaß des rechtswidrigen Verwaltungsaktes ( hier: Promotion) geführt haben. Die mildeste Form ist: „geflissentliches “ Wegschauen. Es kann auch sein, dass Prüfer und Prüfling allzu „kolligial“
zusammengearbeitet haben. Die Promotionskommission hat ihrer eigenen Uni einen Bärendienst erwiesen, weil sie Spekulationen Tür und Tor geöffnet hat.
Fazit: Wenn es keine Täuschung war, was war es dann ?
Muss mich Dunkelangst anschließen. Als ich mein Diplom gemacht habe wurde etwa bei Großteil der Arbeiten verlangt dass sie nicht veröffentlciht werden dürfen. Dem generell nichs vorzuwerfen ist, Patente gibts ja auch.
Dafür hat man ja auch einen Erst- und Zweitkorrektor der die Arbeit nach bestem Gewissen bewerten sollte. Deshalb bin ich eher dafür personelle Konsequenzen für Korrektoren zu forden die ihre Aufgabe nicht richtig nachkommen, ohne die es gar nicht zu solchen Fällen kommen kann. Man sollte eher die eingefahrenen Strukturen der Hochschulen überprüfen, in denen ein 4-Augenprinzip nicht funktioniern zu scheint.
Lieber Martin,
hast Du schon die von Professor Kreck initiierte Erklärung der Hochschullehrer zu den Standards akademischer Prüfungen unterzeichnet? Jan und ich sind dabei.
Den Vorschlag, alle Dissertationen künftig online zu veröffentlichen, teile ich nicht. Das ist ein schwerer Eingriff in die persönliche Freiheit des einzelnen Wissenschaftlers und einer freiheitlichen Gesellschaft unwürdig. Dissertationen sind veröffentlichungspflichtig, das ist richtig und sollte so sein. Es müssen aber verschiedene Möglichkeiten offenstehen, diese Publikationspflicht zu erfüllen – zumal die Form des wissenschaftlichen Arbeitens nicht durch den Zwang der Technik diktiert werden sollte.
Jede Pflicht ist begründungspflichtig. Eine zwingende Verpflichtung zu „Open-access-Publikationen“ geht zu weit.
ABK
Der Protest war erfolgreich. Und die Moral von der Geschicht?
1. Die Parteivorsitzenden von CDU und CSU haben deutlich gemacht, dass der politische Konservatismus derzeit in Deutschland parteipolitisch heimatlos ist. Die Union erfüllt diese Funktion nicht mehr.
2. Wenn Wissenschaftler wollen, können sie sich wehren. Oft wollen sie es nicht. Jetzt wird es darauf ankommen, die Debatte weiter zu gestalten und nicht wieder aus der Hand zu geben – beispielsweise in die Hände von Bildungsjournalisten. Schnellschüsse und überzogene Reaktionen auf die Plagiatsaffäre wären die falsche Konsequenz (so z. B. die Forderung, externe Promotionen künftig und, wie die Süddeutsche Zeitung heute auf ihrer Titelseite vorgeschlagen hat) nur noch gemeinschaftliche Dissertationen im Rahmen von „Graduate Schools“ zu fördern.
Hallo Martin !
Da ich heute Nacht nicht schlafen kann und ein wenig am Surfen bin, habe ich wiedereinmal in deinem Blog nachgeschaut und die aktuellsten Einträge mir von Dir durchgelesen. Auch mit diesem neuesten Artikel zu Plagiaten hast Du vollkommen Recht.
Auch ich frage mich mit meiner Ausbildung an der Uni Münster, wie konnte dieses Plagiat nicht dem Doktorvater in Bayreuth auffallen. Mehr als eine Schande und äußerst peinlich für die Uni Bayreuth.
Auch der Vorschlag zur Veröffentlichungspflicht von Dissertationen im Internet finde ich sehr gut; das wäre schön, wenn man dort alle Dissertationen zu jedem Thema schnell auffinden und lesen könnte. Gerade auch wenn man wie ich gerne liest und kein gutes Buch zuhause hat, wäre dies eine wunderbare Sache.
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Übrigens nebenbeibemerkt diesen Sommer heirate ich standesamtlich (im Kreise der Familie) nach neun Jahren Beziehung („die Zeit fliegt“); aber das ist ein anderes Thema und gehört hier in den Blog nicht weiter hinein.
Danke für deinen wunderbaren Blogeinträge über die Jahre…
Herzlichen Gruß aus dem Westen
Gerd
@ABK: Ja, von der Erklärung hab ich gelesen, aber jetzt ist es wahrscheinlich zu spät, sich noch anzuschließen. Über die Veröffentlichungspflicht im Internet muss ich noch etwas nachdenken. Lass uns das mal bei einem Bier diskutieren – sozusagen akademisch. 🙂
@Gerd: Ja, ich frage mich auch, wie das dem Doktorvater nicht auffallen konnte, wo sogar seine eigenen Werke plagiiert wurden.
@g.burkhardt: Völlig richtig, wenn es keine bewusste Täuschung war, was war es dann?
Lieber Martin,
die Unterschriftenliste für die Übergabe an die betreffenden Verfassungsorgane, den Präsidenten der Universität Bayreuth und die Forschungsverbünde ist geschlossen. Weiterhin eingehende Unterschriften werden allerdings in einem Anhang im Internet veröffentlicht. Du kannst Dich also immer noch beteiligen!
Der politische Skandal dauert fort. Ich habe dem Initiator, Professor Kreck, geschrieben, dass ich die Fortführung der Aktion unterstütze – nicht aber die Weiterleitung der Adressen an die Forschungseinrichtungen. Diese sind in der Erklärung nicht genannt, hier überschreiten die Erstunterzeichner ihre Kompetenz. Zudem besteht m. E. die Gefahr, dass der politische Skandal jetzt uminterpretiert wird in einen wissenschaftsinternen Skandal – nach dem Motto: Die Wissenschaftler bittet selbst darum, mehr kontrolliert zu werden. Nein, der Skandal liegt auf Seiten der Politik, nicht der Wissenschaft.
Mit herzlichen Grüßen
Dein ABK
@ABK: vielen Dank, ich habe Herrn Kreck geschrieben.
An Maha,
wie beurteilst Du denn die Arbeit des Herrn Dr. Bernd Althusmann?(Diss.Potsdam 2007)
Er verwendet auf 270 Nettoseiten 660 Zitate, ist dann noch von Eigenleistung auszugehen?
Gruß
Margitta
Hallo, ich habe da mal ne Frage. Bei der Bayer. Justizministerin Frau Dr. Beate Merk ist ein Dissertationsthema genannt, welches ich sehr schlecht einem Dr. utriusque zuordnen kann. Auf der Justizministeriumshomepage wird Frau Merk jedoch mit dem Titel „Dr. utriusque“, also „Doktor(in) beider Rechte“ bezeichnet.
@Margitta: müsste ich mir ansehen. Viele Zitate sind ja in manchen Fächern nichts Ungewöhnliches, sofern sie als solche gekennzeichnet sind.
@Prüfungsangst ich bin kein Jurist, aber möglicherweise ist das in Ordnung. Kaum jemand kann ja eine Arbeit zugleich über kirchliches und weltliches Recht schreiben (außer bei einer speziellen vergleichenden Thematik); vermutlich erwirbt man die Doppelqualifikation über das Rigorosum oder die Disputatio. Das weiß ich nicht genau.
Hallo,
ich weiß aus sicherer Quelle, dass bei der Promotion von [Name getilgt] sehr viel Geld geflossen ist.
Leider kann ich nicht herausfinden, wo er promoviert hat. Er ist aber sehr eng verzahnt mit Frau Prof. [Name getilgt].
Wie kann ich herausfinden, wo und über was er seine Dissertation geschrieben hat? Soweit mir bekannt ist, hat er BWL studiert.
Gruß
Landes
Ich habe mal die Namen getilgt, um die Persönlichkeitsrechte der Personen nicht zu beeinträchtigen. Dissertationen werden in der Regel veröffentlicht und sind daher auch über Universitätsbibliotheken verfügbar. Eine eigene Recherche dürfte daher nicht besonders schwierig sein.
Andreas Fischer – Lescano gebührt für seine mutige Initiative so etwas wie der Oscar der Wissenschaftswelt. Es geht dabei aber nicht nur um die Wissenschaftswelt, sondern darum, dass der Doktortitel nach wie vor für besonders hohe wissenschaftliche Ansprüche aber auch für eine herausragende persönliche Leistung steht. Nicht umsonst wird Promovierten besonderer Respekt und Anerkennung zuteil, den sie auch vehement einfordern. Nur müssen sie sich an diesen Ansprüchen dann auch messen lassen. Nun steht ein Compliance Officer (!) eines Weltkonzerns (Zimmer GmbH in der Schweiz) im Verdacht, eine Doktorarbeit plagiert zu haben (Universität Bern). Compliance Officer sollen die Einhaltung von Gesetzen und ethischen Standards im Konzern sicherstellen und sind Personen mit dem Anspruch höchster Integrität. Wenn ausgerechnet diese sich ihren Doktortitel erschleichen, hat man wohl den Bock zum Gärtner gemacht…