Hier nun der versprochene Bericht über das Urheberrechtspodium im Münchner Justizministerium.
Die Veranstaltung begann mit einem Impulsreferat der Justizministerin Beate Merk. Nach dem einleitenden Statement zum „Rohstoff Geist“ (eine seltsame Metapher, vergleiche Flyer Urheberrecht vs. freies Internet) musste ich aufhorchen: Die Ministerin sprach sich nicht nur für eine Reform des Urheberrechts aus (offenbar sogar für die Erwägung einer Kulturflatrate), sondern auch gegen Massenabmahnungen. Zwar liegt das alles in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, aber solche Töne von einer konservativen Ministerin lassen doch hoffen, dass Einsicht einkehren könnte. Dann begann die Podiumsdiskussion: Oliver Berben sagte, es ginge nicht um Urheberrecht vs. freies Internet, sondern um Urheberrecht vs. kostenfreies Internet (Kostenloskultur … wissen schon!). Viel mehr Substantielles kam von ihm nicht mehr. Er geriet etwas in Streit mit mir, was nur daran lag, dass er das Konzept der Kulturwertmark nicht verstanden hat. Sehr wohl verstanden haben es aber die anderen Podiumsmitglieder und auch ein Zuhörer, der mich nachher ansprach, nämlich Prof. Jürgen Becker von der ZPÜ: Er hielt das Konzept für erwägenswert.
Aber der Reihe nach: Oliver Süme vom Eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft sprach sich auch ganz klar für ein freies Internet aus (s.u.); Dr. Matthias Lausen, Geschäftsführer des Instituts für Urheber- und Medienrecht wollte diese Freiheit nur für persönliche Daten gelten lassen, nicht für Waren: Der Warenverkauf dürfe nicht anonym sein. Wie man im Netz ohne Deep Packet Inspection „Daten-Waren“ von privaten Daten unterscheiden könne, ließ er dabei offen. Später in der Diskussion forderte er beim Vorgehen gegen Urheberrechtsverletzungen die Mitarbeit der Provider und auch deren Haftung. Klar, dass Oliver Süme das natürlich sofort ablehnte.
Privatkopie, Fair Use
Der offensichtlich gut informierte Moderator verwies auf meinen Blogeintrag zu dieser Veranstaltung, in dem ich schrieb, dass ich mit lauter Lobbyisten auf dem Podium sitzen werde. Natürlich hat er Recht, dass auch ich Lobbying betreibe, wenn ich mich für Konzepte des CCC einsetze. Ich wies also auf die Notwendigkeit der Privatkopie hin, die eben im Zeitalter des ubiquitären Computerns überall möglich ist – über das Internet und von Gerät zu Gerät – und forderte eine Öffnungsklausel im Urheberrecht, die – im Sinne von Fair Use – die Umsetzung neuer Ideen ermöglicht. Der Vertreter der GEMA Alexander Wolf erläuterte sodann, warum die GEMA bei neuen Geschäftsideen keine Möglichkeiten habe zu helfen, und forderte an der Stelle auch Neuregelungen. Alle seine Redebeiträge warben um Verständnis für die Lage der GEMA. Der Letzte in der Runde war Thorsten Schliesche von napster. Sein Kernanliegen war es aufzuzeigen, dass es die legalen Angebote schwieriger hätten als die illegalen, verbunden mit der Forderung, dass die Politik es den legalen Anbieter leichter machen solle.
Kulturwertmark
Der Moderator leitete dann über zur Kulturflatrate. Schnell wurde klar, dass mit dem Erforschen des Nutzerverhaltens Datenschutzprobleme oder gar eine Überwachungsstruktur drohen könnte. Ich erläuterte daraufhin das Kulturwertmark-Modell. Obwohl ich ausdrücklich gesagt hatte, dass es dabei um die Legalität der Privatkopie im Netz geht, wurde teilweise missverstanden, dass die Kulturwertmark so etwas wie eine generelle Alternative zum Verkauf von Filmen, Musik und elektronischen Büchern über das Internet sein sollte. Ich musste also noch einmal betonen, dass das nicht gemeint ist. Wolf (GEMA) ließ sich zu der Äußerung hinreißen, dass die Internetprovider mehr Geld durch illegale Downloads verdienen als durch legale, was natürlich eine Nebelkerze ist, denn die Provider haben ja keinen Einfluss auf die Inhalte und sollten den auch nicht haben. Der Urheberrechtler Lausen brachte den wiederholt gehörten Vergleich mit einer Bäckerei, die gegen eine andere konkurrieren müsse, die Brötchen verschenke. Süme konterte, dass legale Angebote attraktiver sein können und müssen als illegale.
Massenabmahnungen
Das nächste Thema waren die leidigen Abmahnungen. Ich wies noch einmal darauf hin, dass die Ministerin ja eine klare Position gegen massenhaftes Abmahnen vertreten hatte. Der GEMA-Vertreter sprang auf den Zug auf und sagte, es sei besser gegen illegale Plattformen vorzugehen, als Endnutzer abzumahnen. Von rechts von mir (Berben oder Lauser, vermutlich Letzterer) wurde mir dann durch Zwischenruf vorgeworfen, wer keine Abmahnungen wolle, sei auch gegen die Steuerfahndung, was ich als polemisch qualifizierte und mit dem Hinweis abtat, dass das Geld für Abmahnungen ja nicht in erster Linie den Urhebern, sondern Anwälten zu Gute kommt. Es bestand auf dem Podium allerdings ein weitgehender Konsens in der Ablehnung von Massenabmahnungen (wie gefühlt auch im Saal).
In meinem „Schlussplädoyer“ warb ich noch mal für die Privatkopie und für Fair Use, das heißt: auf jeden Fall für mehr Urheberrechtsschranken als weniger. Ich wies dabei darauf hin, dass der Wegfall der öffentlichen Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung (§52a UrhG) zum Jahresende zu großen Problemen an Schulen und Universitäten führen wird. Auch die anderen warben noch einmal für ihre Position, bevor man zum Büffet überging. Ich glaube (und das zeigten die Nachgespräche), dass ich meine Punkte rüberbringen konnte, jedenfalls kamen sie in der Struktur des Programms alle vor, und es gab entsprechende Rückmeldungen. Mir selbst hat die Veranstaltung allerdings wenig Neues gebracht.
Datenschutztag
In den Kommentaren zu meinem letzten Blogbeitrag hatte mich Conrad Tribble, der US-amerikanische Generalkonsul, zum
Deutsch-Amerikanischen Datenschutztag eingeladen, der gleichzeitig in der Nähe des Justizpalastes stattfand. Dorthin bin ich dann auch noch gegangen. Ich hatte ein anregendes Gespräch mit dem Generalkonsul und ein paar anderen Personen, so dass sich der Abstecher sehr gelohnt hat.