# life, the universe & everything – Seite 2 – maha’s blog

app.net (ADN)

Viele haben ja schon über app.net (kurz ADN) geschrieben (einfach mal die Suchmaschine eurer Wahl befragen), jetzt tue ich es auch. Für diejenigen, die noch nie davon gehört haben: auf den ersten Blick ist app.net so etwas wie twitter mit 256 statt 140 Zeichen. Dabei ist allerdings ein Account kostenpflichtig oder man hat eine kostenlose Einladung.

Durch die längeren Posts ist ADN deutlich stärker diskussionsorientiert als Twitter. Dadurch hat es einen anderen Charakter als Twitter, das ja mehr und mehr so etwas wie ein Link-Ticker wird. Aber der eigentliche Vorteil ist die Einbindung von externen Apps: Hier gibt es schon jetzt ein paar sehr schöne Sachen (und es entstehen ja ständig neue): Besonders hübsch ist Climber, eine App, mit der Videoclips von 11 Sekunden Länge aufgenommen und auf app.net veröffentlicht werden können. Das ist etwas, das ich sonst nicht kenne und das manchmal ganz praktisch ist. Einfach mal testen!

Leider gibt es Climber bislang nur für iOS. Dafür können sich die Android-Nutzer über den meiner Meinung nach besten Client für app.net, nämlich Robin. Für iOS kann man Felix nehmen, der ist auch nicht schlecht und macht schöne Links.

Für Gespräche im Chat-Raum würde ich ja IRC nehmen, aber auch das kann ADN, nämlich mit Patter. Eine gute Idee ist auch das Umfragetool Question.

Kritik habe ich natürlich auch: Eigentlich finde ich ja verteilte Systeme wie identi.ca besser. Das befindet sich aber gerade in der Umstellung auf pump.io, und man kann sich nicht mehr bei identi.ca anmelden. Leider bezweifle ich, dass das wirklich aus der Nische raus kommt – vielleicht, wenn es da mal schöne Clients gibt.

Also: probiert es auch! Und wer noch Tipps für apps für ADN hat, bitte in die Kommentare!

Ständige Mitgliederversammlung

Dass die Piratenpartei ohne verbindliche Online-Partizipation Politik machen will, ist ziemlich unvorstellbar. Für mich ist sogar unvorstellbar, dass andere Parteien mittelfristig daran vorbei kommen, ihre Mitglieder auch online in die Entscheidungsprozesse einzubinden. Wenn ich auf Twitter von Piraten lese, dass sie eine „ständige Mitgliederversammlung“ (SMV) ablehnen, kann ich mich nur wundern: Solche Leute sind nicht etwa in der falschen Partei, sondern leben schlicht in der falschen Zeit.

Es ist bekannt, dass Wahlcomputer nicht manipulationssicher sind, so dass die Idee, Parteimitglieder anonym über das Internet abstimmen zu lassen, von vornherein verworfen werden muss. Das ist ohnehin nicht sinnvoll, denn Aufgabe von Parteien ist es ja, zur politischen Willensbildung beizutragen und das geschieht durch Diskussionen, konstruktive Debatten und Gespräche, die natürlich am besten funktionieren, wenn sich die Beteiligten kennen und vertrauen; Anonymität ist für die gemeinsame Ausarbeitung politischer Grundsätze also wenig wünschenswert.

Die SMVCon, die die Einrichtung einer SMV in der Piratenpartei vorbereitet, hat sich dafür entschieden, dass in dieser Online-Plattform die Prinzipien der Liquid Democracy angewendet werden sollen. Das ist sehr sinnvoll, denn sonst könnte eine solche Online-Mitgliederversammlung gar nicht ständig tagen, wenn alle Beteiligten immer online sein müssten. Die Delegation ermöglicht es, sich auch mal für einige Zeit auszuklinken, wenn man vorher an geeignete Leute delegiert hat, so wie das ja auch in der klassischen repräsentativen Demokratie möglich ist. Der Unterschied zu anderen Parteien mit ihren Delegierten besteht eben darin, dass alle Teilnehmer jederzeit ihre Delegationen zurücknehmen und selbst abstimmen können.

Der Konsensantrag zur SMV klammert Entscheidungen über das Parteiprogramm überraschenderweise aus. Eine SMV ohne Programmentscheidungen verfehlt meiner Ansicht nach die entscheidende Aufgabe einer Mitgliederversammlung, nämlich das Programm weiter zu entwickeln, was auf den traditionellen Parteitagen aufgrund knapper Zeit nicht so recht gelingen will. Der Grund für die Ausklammerung ist, dass das Parteiengesetz vorschreibt, Programmentscheidungen müssen auf Parteitagen vorgenommen werden. Nun ist aber gerade die ständige Mitgliederversammlung der Parteitag neuen Typs, also die Online-Weiterentwicklung des Forums, das über das Programm entscheidet. Hier muss die Piratenpartei einfach mutiger sein.

Ich hoffe sehr, dass auf dem nächsten Bundesparteitag ein Grundsatzbeschluss über eine Ständige Mitgliederversammlung gefasst wird (mit Programmentscheidungen und – was selbstverständlich ist – ohne geheime Abstimmungen). Bis dann diese SMV wirklich funktionieren wird, dürfte noch einige Zeit vergehen, aber die Entscheidung ist erst mal richtungsweisend. Ich denke auch, dass in absehbarer Zeit andere Parteien auf diesem Weg folgen werden.

Mit diesem Thema beschäftigen sich (ausführlicher) auch die Folgen 113, 114 und 117 des Klabautercasts.

#Neustart

Gerade wird in der Piratenpartei intensiv über ein Wahlkampfkonzept für die Bundestagswahl gestritten. Ich habe gleich gedacht: „Bloß nicht wieder Kühe und Euromünzen wie bei der letzten Bundestagswahl!“ Und tatsächlich gibt es unter dem Titel „Neustart“ zwei Vorschläge, die tatsächlich das Konzept „Themen und Köpfe“ sehr schön umsetzen:

  • Die Entwürfe von Peter Amende entwickeln die Bildsprache des Berliner Wahlkampfs weiter: Ich finde es sehr gut, denn die Plakate zeigen, worum es inhaltlich geht, und eben auch Köpfe normaler Menschen, nämlich der Piraten, die diese Inhalte vertreten. Das ist genau das, was ich mir von einer guten Kampagne wünsche.
  • Die Entwürfe von Fred sind künstlerisch innovativer gegenüber dem Berliner Wahlkampf, aber vielleicht im Vergleich zu Peters eine Spur zu intellektuell oder jedenfalls nerdig. Aber Ideen aus seinen Entwürfen sollten schon übernommen werden.

Plakat: Alle reden vom Internet -- Wir nichtBesonders gut gefällt mir das Plakat Alle reden vom Internet – Wir nicht, denn es verschafft einen Einblick in einen Piratenparteitag und zeigt sehr schön, wie die Piraten sind: chaotisch, bunt, aber kompetenter als andere. Zudem erkennt man auf dem Plakat bekannte Piraten wieder. Ein sehr schönes Bild!

Der Slogan #Neustart passt auch sehr schön: denn einerseits könnte er sich darauf beziehen, dass die Piratenpartei, die in den letzten Monaten eher schlechte Presse hatte, nun einen Neustart unternimmt, andererseits geht es um einen Neustart der Demokratie in Deutschland: Das System ist ja sehr gut, aber ein Neustart tut dringend Not, um schlimme Verirrungen (Hartz IV, Überwachungsstaat usw.) loszuwerden. Auch diese IT-Metapher ist treffend. Sie erinnert auch ein bisschen an Obamas Change, mit dem Unterschied, dass die Piraten und ihre Wähler das mit dem #Neustart wirklich wollen, auch wenn sie sich über Details (Vim oder Emacs) gern mal streiten.

Insgesamt bin ich bei diesen Vorlagen, über die abgestimmt werden kann, sehr zuversichtlich, dass der Wahlkampf rocken wird.

Berlinale 2013

Es ist mal wieder Berlinale in Berlin, inzwischen schon zum 63. Mal. Das bedeutet ja leider immer sehr viel Durcheinander. Ich habe mich jedoch ins Getümmel geworfen und war heute in einem wirklich empfehlenswerten georgischen Film mit dem schönen Titel: Chemi sabnis naketsi oder A Fold in my Blanket. Der Film läuft auch im Wettbewerb um den Teddy Award, wird da aber weniger Chancen haben, denn um ihn als schwulen Film zu erkennen, muss man schon Georgier sein: Es geht (unter anderem) um eine ziemlich platonische Männerfreundschaft. Überhaupt ist der Film so geschrieben, dass er die Zustände in Georgien so subtil kritisiert, dass er noch Geld von der georgischen Filmförderung erhalten kann. Dennoch muss ich ihn empfehlen. Ich fand die subtile Symbolik schon sehr faszinierend. Es ist ein durch und durch intellektueller Film. Fast jede Einstellung ist genau durchdacht. Als Sprachwissenschaftler freut mich besonders, dass die russisch-georgische Zweisprachigkeit im Film eine Rolle spielt: Die Dialoge sind überwiegend georgisch, zum Teil aber auch russisch. Sehr schön ist auch der Einblick in den georgischen Alltag. Ich hoffe sehr für den Regisseur Zaza Rusadze (der nicht nur Georgier, sondern auch Berliner ist), dass der Film in den Verleih kommt.

Schließlich bin ich vor dem Trubel geflüchtet und habe im Chaos Computer Club Berlin abends noch: http://en.wikipedia.org/wiki/TPB_AFK, den neuen Dokumentarfilm über The Pirate Bay gesehen, denn ich empfehle: Es treten dort viele bekannte Personen auf, es geht um die Hintergründe des Piratbyrån und somit auch der Piratpartiet. Außerdem kann man ständig fazialpalmieren, wenn man die Argumentation der Content-Vertreter hört.

Und wo wir schon bei Filmen sind, spreche ich gleich noch eine Filmwarnung aus: Neulich lief ja Zero Dark Thirty in Deutschland an, der Film über die Jagd auf Osama bin Laden: Kann man sehen, muss man aber nicht. Der Film hat Längen, zeigt grausame Folterszene, die aber irgendwie als gerechtfertigt und sinnvoll hingestellt werden und ist wenig spannend. Irgendwie fragte ich mich ständig, ob sich das wirklich alles so zugetragen hat, wie dort beschrieben.

Verkehrspolitik

Ich dilettiere seit ja seit einiger Zeit im Politikbereich „Verkehr“. Inzwischen habe ich neben einem Rahmenantrag (Wahlprogrammbereich: Verkehrspolitik) drei Anträge ins Liquid Feedback eingebracht, die zur Zeit in der Abstimmungsphase sind:

  1. Wahlprogrammbereich: Verkehrspolitik: Umlagefinanzierter Personenverkehr
  2. Wahlprogrammbereich: Verkehrspolitik: Shared Space, Vorrang für Schwächere
  3. Wahlprogrammbereich: Verkehrspolitik: Intelligente Verkehrsbeeinflussung durch Wechselverkehrszeichen und Telemetrie flächendeckend einführen

Das Liquid Feedback begünstigt ja Dilettanten wie mich, denn diejenigen, die sich auskennen, geben Anregung und so können Anregungen verbessert werden. Das ist auch hier geschehen: Beim ersten Antrag konnte ich auf längere Diskussionen älterer Anträge zurückgreifen, auch für den zweiten Antrag gab es Vorbilder aus Berlin (unter anderem von Christopher Lauer) und für den dritten Antrag gab es einen Vorläufer von mir selbst, durch den ich zahlreiche interessante Hinweise erhielt, z.B. dass die Finanzierung der vorgeschlagenen Maßnahmen bereits bis 2015 gesichert ist.

Die Anträge stehen meiner Ansicht nach sehr im Einklang mit dem, was Piraten wollen, nämlich:

  • größtmögliche individuelle Freiheit unter Teilhabe aller oder anders formuliert: freie Entfaltung und Chancengleichheit,
  • Infrastrukturneutralität,
  • einen dritten Weg zu gehen zwischen den verhärteten Positionen der Analogparteien.

Besonders der umlagefinanzierte Personenverkehr spiegelt die drei Prinzipien wieder, denn öffentlicher Personenverkehr ist ja Infrastruktur, an der alle teilhaben können und die Freizügigkeit ermöglicht. Außerdem kann man so Menschen dazu bringen, vom Auto auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen, ohne den Autoverkehr durch Regulierung einzuschränken. Dieser dritte Weg zeigt sich auch beim Shared Space-Konzept: Autoverkehr soll hier nicht eingeschränkt werden, dennoch macht Shared Space in Verbindung mit dem Prinzip Vorrang für Schwächere den Straßenverkehr für alle Teilnehmer angenehmer. Das gilt natürlich auch für die intelligente Verkehrsbeeinflussung, die letztlich auch das Problem der starren Geschwindigkeitsbegrenzung zugunsten einer flexiblen löst.

Ich hoffe, dass diese Ansätze Zustimmung finden, da ich sie auch deshalb für wichtig halte, weil sie charakteristisch für die Piratenpolitik sein können.

Lange Nacht der Museen

Am letzten Samstag fand in Berlin die Lange Nacht der Museen statt. Von den 31. Nächten habe ich nach meiner (hoffentlich korrekten Rechnung) nur sechs verpasst, so dass es wohl meine 25. war und ich habe die Besuche ja auch oft hier dokumentiert. So auch diesmal:

Museum für Kommunikation Berlin

1. Station: Museum für Kommunikation Berlin

Eigentlich wollten wir ja beim Dalí-Museum beginnen, weil sich der Besuch dort wegen des hohen Eintrittspreises angeblich nur in der Langen Nacht lohnt, aber den gleichen Gedanken hatten wohl Viele und die Schlange war einfach zu lang. So ersetzten wir den Besuch einfach durch einen Rundgang durch das Museum für Kommunikation Berlin. Das lohnt sich bekanntlich immer, schon wegen des eindrucksvollen Gebäudes. Das von Sarah Wiener betriebene Museumscafé kann ich nicht empfehlen, denn eine Apfelschorle für 4,60 Euro bei Selbstbedienung (die zu wünschen übrig ließ) ist einfach zu teuer. Man sitzt dazu eher ungemütlich auf Holzstühlen auf einer „nackten“ Terrasse.

2. Station: Deutsches Currywurst-Museum Berlin

Das Museum ist zwar klein, aber recht gut gemacht. Vor allem Kinder dürften hier ihren Spaß haben. Die Currywurst, die wir uns am Ende des Besuchs gönnten, war offenbar dampfgegart, jedenfalls sehr labberig, die scharfe Soße nicht scharf. Da gibt es bessere Adressen, die ja auch im Museum Erwähnung fanden. Keine Erwähnung fand hingegen die Ketwurst (es sei denn, ich habe sie übersehen).

3. Station: Ephraim-Palais

Die Ausstellung BerlinMacher im Ephraim-Palais ist unbedingt sehenswert: Es geht um Leute, die Berlin gemacht haben. Da ich den Katalog zwar gekauft, aber noch nicht gelesen habe, kann ich noch nicht sagen, nach welchen Kriterien die Macher ausgewählt wurden, eine interessante Sammlung ist es aber allemal. Im Haus war auch ein Stand von Wikimedia. Warum der aber ganz oben und nicht bei den BerlinMachern untergebracht war, erschloss sich mir nicht, denn gerade bei den BerlinMachern griff ich das eine oder andere Mal zur Wikipedia, um zusätzliche Informationen zu erhalten.

Nikolaikirche

4. Station: Nikolaikirche

Nach einem Zwischenstopp im Georgbräu (das leider seine Terrasse schon um 21.30 Uhr schließt), kamen wir zur Nikolaikirche, wo ich zuletzt bei ihrer (Wieder-) Eröffnung 1987 war, zur 750-Jahrfeier von Berlin, damals noch Hauptstadt der DDR. Da hat sich doch einiges verändert! Insbesondere die Ausleuchtung ist sehr gelungen. Eindrucksvoll ist auch das Zehdenicker Altartuch, über das noch ein Wikipedia-Artikel fehlt (den ich leider mangels verfügbarer Informationen nicht schreiben kann).

Atari ST

5. Station: Computerspielemuseum Berlin

Da es inzwischen zu spät war für die leider nur bis 22 Uhr mögliche Terrassenbegehung beim Café Sibylle, übersprangen wir diese Station und begaben uns direkt zum Computerspielemuseum. Das war auch gut so, denn man kann dort viel Zeit verbringen, selbst wenn das Museum nicht besonders groß ist. Etwas schade fand ich, dass die nur gelegentlich bespielbaren Geräte nicht zur Langen Nacht eingeschaltet waren. Das wäre doch ein guter Anlass gewesen, aber wahrscheinlich möchte man das Publikum zum Wiederkommen animieren. Es empfiehlt sich daher der Besuch an einem Montag zwischen 18 und 20 Uhr.

Das war dann auch schon das gesamte Programm, das wir geschafft haben. Irgendwie ist die Lange Nacht dann doch gar nicht so lang. Vielleicht sollte wirklich früher begonnen werden (gerade im Winter). Außerdem ist es natürlich nicht gut, dass bestimmte Besichtigungen nur bis 22 Uhr oder Mitternacht möglich sind. Dennoch lohnt die Lange Nacht immer und ist im Sommer auch noch klimatisch angenehm.

Lila Piraten – Bericht aus Wien

In der vergangenen Woche war ich in Wien und hatte Gelegenheit, die österreichischen Piraten (kurz) kennen zu lernen. Was natürlich zuerst auffällt, ist, dass sie (getreu dem schwedischen Vorbild) Lila zu ihrer Parteifarbe gewählt haben. Das dunkle Lila wirkt auf mich etwas konservativ im Vergleich zum deutschen Orange. Und tatsächlich scheinen mir die österreichischen Piraten im Vergleich zu den Deutschen konservativer zu sein, und zwar nicht in inhaltlichen Fragen (ich hatte leider nicht die Zeit dazu, mich mit Inhalten zu beschäftigen), sondern was die Art angeht, wie Politik (insbesondere die Programmentwicklung) bei ihnen gemacht wird. Man setzt dort sehr auf Verfahren, die ich als Politik 1.0 bezeichnen würde, nämlich auf die Erarbeitung von Positionen in so genannten Task Forces, nämlich Arbeitsgruppen, deren Einrichtung von der Zustimmung des Vorstands abhängt. Ich halte das für problematisch, da die Abhängigkeit von einer Vorstandsentscheidung nicht gerade ein Bottom-Up-Modell ist und so mit den Arbeitsgruppen thematische „Hoheitsgebiete“ entstehen, die der Idee der freien thematischen Vernetzung nach dem Vorbild des Internets entgegenstehen. Zumal auch Entscheidungen im österreichischen Liquid Feedback offenbar von den Task Forces kontrolliert werden sollen (so äußerte sich jemand in der Vorstellung der österreichischen LQFB-Instanz). Außerdem konnte in Deutschland die Erfahrung gemacht werden, dass nur die wenigsten Arbeitsgruppen wirklich funktionieren.

Ein Politik-2.0-Ansatz würde es vielmehr ermöglichen, dass man sich zur politischen Arbeit (insbesondere zur Programmarbeit) frei vernetzen kann: Einzelpersonen, lokale Gruppen, Freundeskreise, Task Forces usw.: alle können Texte entwickeln. Es muss dann nur einen definierten Prozess geben, wie daraus Parteitagsbeschlüsse werden. Das kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass solche Texte in eine Art „Backbone“ geworfen werden, so dass sie von der Gesamtpartei (oder der zuständigen Untergliederung) diskutiert und beschlossen werden können. Ein solches „Rückgrat“ könnte Liquid Feedback sein.

Die österreichischen Piraten haben eine LQFB-Instanz, doch verspürte ich eine gewisse Angst vor dem konsequenten Einsatz dieses Werkzeugs. Vielleicht liegt diese Angst darin begründet, dass LQFB fälschlicherweise für ein basisdemokratisches Werkzeug gehalten wird. Das ist es aber nicht: Liquid Democracy ist bekanntlich ein Kompromiss zwischen direkter und repräsentativer Demokratie. In LQFB kann man sehen, wie schnell Delegationseliten entstehen. Das ist aber nicht schlimm, sondern eher ein Vorteil von LQFB, weil (1) dank der Delegationen die Arbeit noch funktioniert, wenn die Zahl der Anträge stark zunimmt (ohne Delegation wäre die Programmentwicklung ein Vollzeitjob) und weil (2) die Delegationsketten sichtbar sind: Damit kann bei einer Entfremdung von Basis und Elite sofort eine Kampagne gestartet werden, um ein Delegationskartell aufzubrechen, das systematisch im Widerspruch zur Basis agiert. Ein weiterer Vorteil (3): Der repräsentative Anteil der Liquid Democracy ist auch ein probates Mittel gegen Populismus.

Ich hoffe, dass die österreichischen Piraten die Stärken von LQFB begreifen und das System dann auch richtig nutzen. Aus Deutschland ist ja bekannt, was für dicke Bretter da zu bohren sind.

Bulb Fiction

Ich habe gerade den Film Bulb Fiction gesehen, den ich allen empfehle, die sich für Polit-PR und Neusprech interessieren. Es geht um die Kompaktleuchtstofflampe, besser bekannt als Energiesparlampe und die mit ihr verbundene Propaganda. Besonders gegen Ende gibt es eine schöne Stelle, wo die Sprecherin des EU-Energiekommissars eindrucksvoll vorführt, wie politische Kommunikation funktioniert, indem man nicht nur die eigentlichen „offiziellen“ Antworten sieht, sondern auch, was davor oder danach passiert.

Hier eine kurze Zusammenfassung der Doku, die sicher nicht zu viel verrät: Das Problem bei Energiesparlampen ist das darin enthaltene Quecksilber, das entweicht, wenn der Glaskörper zerbricht. Das ist besonders dann gefährlich, wenn der Glaskörper zerbricht, während die Lampe leuchtet, da dann alles Quecksilber gasförmig ist. Die Mengen sind nicht unerheblich und durchaus (besonders für Kinder) gefährlich. Zudem ist das Recycling der Lampen problematisch und es gibt kein Endlager für Quecksilber. Es geht in der Doku jedoch vor allem darum, wie die PR für diese Lampen gelaufen ist und immer noch aussieht. Dabei wird genau beleuchtet, wie es zu ihrer Durchsetzung kam.

Der Film verfehlt seine Wirkung nicht. Mancher Zuschauer ist wohl (wie ich) im Anschluss richtig wütend und möchte seine Energiesparlampen gleich gegen LED-Lampen austauschen, die leider im Film unerwähnt bleiben. Das ist eine Schwäche des Films, denn zu Heatball-Lampen zurückzukehren, ist sicher auch kein guter Weg.

Urheberrecht vs. freies Internet

Hier nun der versprochene Bericht über das Urheberrechtspodium im Münchner Justizministerium.

Die Veranstaltung begann mit einem Impulsreferat der Justizministerin Beate Merk. Nach dem einleitenden Statement zum „Rohstoff Geist“ (eine seltsame Metapher, vergleiche Flyer Urheberrecht vs. freies Internet) musste ich aufhorchen: Die Ministerin sprach sich nicht nur für eine Reform des Urheberrechts aus (offenbar sogar für die Erwägung einer Kulturflatrate), sondern auch gegen Massenabmahnungen. Zwar liegt das alles in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, aber solche Töne von einer konservativen Ministerin lassen doch hoffen, dass Einsicht einkehren könnte. Dann begann die Podiumsdiskussion: Oliver Berben sagte, es ginge nicht um Urheberrecht vs. freies Internet, sondern um Urheberrecht vs. kostenfreies Internet (Kostenloskultur … wissen schon!). Viel mehr Substantielles kam von ihm nicht mehr. Er geriet etwas in Streit mit mir, was nur daran lag, dass er das Konzept der Kulturwertmark nicht verstanden hat. Sehr wohl verstanden haben es aber die anderen Podiumsmitglieder und auch ein Zuhörer, der mich nachher ansprach, nämlich Prof. Jürgen Becker von der ZPÜ: Er hielt das Konzept für erwägenswert.

Aber der Reihe nach: Oliver Süme vom Eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft sprach sich auch ganz klar für ein freies Internet aus (s.u.); Dr. Matthias Lausen, Geschäftsführer des Instituts für Urheber- und Medienrecht wollte diese Freiheit nur für persönliche Daten gelten lassen, nicht für Waren: Der Warenverkauf dürfe nicht anonym sein. Wie man im Netz ohne Deep Packet Inspection „Daten-Waren“ von privaten Daten unterscheiden könne, ließ er dabei offen. Später in der Diskussion forderte er beim Vorgehen gegen Urheberrechtsverletzungen die Mitarbeit der Provider und auch deren Haftung. Klar, dass Oliver Süme das natürlich sofort ablehnte.

Privatkopie, Fair Use

Der offensichtlich gut informierte Moderator verwies auf meinen Blogeintrag zu dieser Veranstaltung, in dem ich schrieb, dass ich mit lauter Lobbyisten auf dem Podium sitzen werde. Natürlich hat er Recht, dass auch ich Lobbying betreibe, wenn ich mich für Konzepte des CCC einsetze. Ich wies also auf die Notwendigkeit der Privatkopie hin, die eben im Zeitalter des ubiquitären Computerns überall möglich ist – über das Internet und von Gerät zu Gerät – und forderte eine Öffnungsklausel im Urheberrecht, die – im Sinne von Fair Use – die Umsetzung neuer Ideen ermöglicht. Der Vertreter der GEMA Alexander Wolf erläuterte sodann, warum die GEMA bei neuen Geschäftsideen keine Möglichkeiten habe zu helfen, und forderte an der Stelle auch Neuregelungen. Alle seine Redebeiträge warben um Verständnis für die Lage der GEMA. Der Letzte in der Runde war Thorsten Schliesche von napster. Sein Kernanliegen war es aufzuzeigen, dass es die legalen Angebote schwieriger hätten als die illegalen, verbunden mit der Forderung, dass die Politik es den legalen Anbieter leichter machen solle.

Kulturwertmark

Der Moderator leitete dann über zur Kulturflatrate. Schnell wurde klar, dass mit dem Erforschen des Nutzerverhaltens Datenschutzprobleme oder gar eine Überwachungsstruktur drohen könnte. Ich erläuterte daraufhin das Kulturwertmark-Modell. Obwohl ich ausdrücklich gesagt hatte, dass es dabei um die Legalität der Privatkopie im Netz geht, wurde teilweise missverstanden, dass die Kulturwertmark so etwas wie eine generelle Alternative zum Verkauf von Filmen, Musik und elektronischen Büchern über das Internet sein sollte. Ich musste also noch einmal betonen, dass das nicht gemeint ist. Wolf (GEMA) ließ sich zu der Äußerung hinreißen, dass die Internetprovider mehr Geld durch illegale Downloads verdienen als durch legale, was natürlich eine Nebelkerze ist, denn die Provider haben ja keinen Einfluss auf die Inhalte und sollten den auch nicht haben. Der Urheberrechtler Lausen brachte den wiederholt gehörten Vergleich mit einer Bäckerei, die gegen eine andere konkurrieren müsse, die Brötchen verschenke. Süme konterte, dass legale Angebote attraktiver sein können und müssen als illegale.

Massenabmahnungen

Das nächste Thema waren die leidigen Abmahnungen. Ich wies noch einmal darauf hin, dass die Ministerin ja eine klare Position gegen massenhaftes Abmahnen vertreten hatte. Der GEMA-Vertreter sprang auf den Zug auf und sagte, es sei besser gegen illegale Plattformen vorzugehen, als Endnutzer abzumahnen. Von rechts von mir (Berben oder Lauser, vermutlich Letzterer) wurde mir dann durch Zwischenruf vorgeworfen, wer keine Abmahnungen wolle, sei auch gegen die Steuerfahndung, was ich als polemisch qualifizierte und mit dem Hinweis abtat, dass das Geld für Abmahnungen ja nicht in erster Linie den Urhebern, sondern Anwälten zu Gute kommt. Es bestand auf dem Podium allerdings ein weitgehender Konsens in der Ablehnung von Massenabmahnungen (wie gefühlt auch im Saal).

In meinem „Schlussplädoyer“ warb ich noch mal für die Privatkopie und für Fair Use, das heißt: auf jeden Fall für mehr Urheberrechtsschranken als weniger. Ich wies dabei darauf hin, dass der Wegfall der öffentlichen Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung (§52a UrhG) zum Jahresende zu großen Problemen an Schulen und Universitäten führen wird. Auch die anderen warben noch einmal für ihre Position, bevor man zum Büffet überging. Ich glaube (und das zeigten die Nachgespräche), dass ich meine Punkte rüberbringen konnte, jedenfalls kamen sie in der Struktur des Programms alle vor, und es gab entsprechende Rückmeldungen. Mir selbst hat die Veranstaltung allerdings wenig Neues gebracht.

Datenschutztag

In den Kommentaren zu meinem letzten Blogbeitrag hatte mich Conrad Tribble, der US-amerikanische Generalkonsul, zum
Deutsch-Amerikanischen Datenschutztag eingeladen, der gleichzeitig in der Nähe des Justizpalastes stattfand. Dorthin bin ich dann auch noch gegangen. Ich hatte ein anregendes Gespräch mit dem Generalkonsul und ein paar anderen Personen, so dass sich der Abstecher sehr gelohnt hat.

Urheberrecht

Am Donnerstag, 10. Mai 2012 um 10 Uhr werde ich im Münchner Justizpalast auf einem Podium sitzen, auf dem es ums Urheberrecht geht. Dort sitzen außer mir vor allem Lobbyisten. Ich habe mal die Einladung zu dieser Veranstaltung hier beigefügt und werde danach auch darüber berichten. Streaming bzw. Aufzeichnung sind leider nicht vorgesehen, aber vielleicht gibt es da noch eine spontane Lösung. Anmelden kann man sich hier: Forum „Urheberrecht vs. freies Internet – ein unauflösbarer Widerspruch?“ (presse [AT] stmjv.bayern.de). Natürlich kann man sich auch per Fax anmelden. 🙂

Flyer Urheberrecht vs. freies Internet (pdf)