# maha’s blog – Seite 2 – What I’m doing and thinking, mostly in German – Martin Haase’s personal weblog

Vorlesung Syntax als Podcast

Ich bin ein kleines bisschen stolz auf mich: einerseits weil ich endlich wieder zum Bloggen gekommen bin, andererseits weil ich mir einen Traum erfüllt habe: Es gibt jetzt endlich eine aktuelle (noch laufende) Vorlesung von mir als Podcast. Der Titel ist: Grundlagen der Syntax. Zugegeben: nicht das leichteste Thema! Ich hoffe aber, dass es auch über den Kreis meiner Studierenden im Aufbaumodul (also Anfänger mit Vorkenntnissen) Interesse findet.

Ich nehme ja schon seit 2010 meine Vorlesungen als Screencast auf, bisher standen sie aber nur im universitätsinternen Moodle den Studierenden zur Verfügung, dabei wollte ich sie schon immer veröffentlichen. Aus einer Reihe von Gründen habe ich es nicht getan:

  1. Das wichtigste Problem war (und ist) das Urheberrecht: Für eine Vorlesung ist es nötig, auf anderer Leutes Material zurückzugreifen. Wenn das ein Zitat überschreitet (zum Beispiel im Fall von Dialektkarten), ist das problematisch, und ich habe mich nicht getraut.
  2. Jeder macht Fehler, auch ich. Da ich mir während eines Semesters gelegentlich bewusst wurde, dummes Zeug erzählt zu haben, sank meine Motivation, das im Nachhinein zu veröffentlichen.
  3. Die Qualität der Aufnahmen war mir einfach zu schlecht.

Da ich in jedem Semester eine anonyme Selbstevaluation durch die Vorlesungsteilnehmer durchführe, habe ich erfahren, dass die Studierenden meine internen Vorlesungsaufzeichnungen sehr schätzen. Nun bin ich als Professor ja nicht nur für den geschlossenen Kreis meiner Studierenden da, sondern sollte das, was ich tue eigentlich allen zur Verfügung stellen. Es ist letztlich eine Frage des Mutes und irgendwann musste ich ihn einfach aufbringen. Ich zitiere mal den Wikipedia-Artikel Professur: „Professur (von lateinisch profiteri in der Bedeutung ‚sich öffentlich als Lehrer zu erkennen geben‘)“. Jetzt habe ich es gleich zu Semesterbeginn gemacht. Dann muss ich da auch trotz möglicher Fehler durch!

Das mit dem Urheberrecht bekomme ich zumindest in diesem Semester ganz einfach in den Griff, denn ich greife einfach auf mein eigenes Material zurück. Das geht natürlich – abhängig vom Thema – nicht immer. An der technischen Qualität arbeite ich noch. Ich habe mir diverse Mikrofone zugelegt und werde sie nach und nach ausprobieren, in der Hoffnung, dass die Qualität immer besser wird. Zur Zeit bin ich jedenfalls noch nicht zufrieden.

Ein weiteres Problem ist, dass die Video-Dateien sehr groß sind. Eine reine Audio-Version ist auch nicht machbar, weil die gezeigten Folien wirklich wichtig für das Verständnis sind. Ich suche noch ein wenig nach einem alternativen Codec, dieser sollte aber auf allen üblichen Geräten vorhanden sein und die Optik der Vorlesungs-Folien nicht verschlechtern, weil die unbedingt lesbar sein sollten (ich gebe mir da große Mühe, sie nicht zu klein zu machen). Dateien, die zwischen 300 und 700 MB groß sind, lassen sich eben schlecht unterwegs im Mobilfunknetz streamen oder gar herunterladen – gerade wenn die nächste Volumen-Drosselung droht oder der Provider Geld für große Downloads berechnet. BitTorrent ist da jetzt auch nicht wirklich eine Lösung, denn die Uni-Server ertragen die Downloads durchaus und der Interessentenkreis ist zu gering.

Leider unterstützt meine Universität solche Aktionen gar nicht: Ich musste einen RSS-Feed in das Typo3-CMS hinein hacken, was sehr umständlich ist. Dafür kann ich jetzt Feed-XML-Dateien im Schlaf erstellen. Es gibt aber keine richtige Plattform, auf der ich auch Kommentare empfangen kann. Wir haben zwar ein Moodle, aber das funktioniert nur uni-intern. Die Idee, dass die Universität eigentlich für alle da ist und daher auch ihr Angebot der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen muss, ist da leider noch nicht angekommen. Ich habe überhaupt das Gefühl, dass es kaum Leute gibt, die so ein öffentliches Angebot machen. Ja, es gibt iTunesU, an dem sich auch deutsche Unis beteiligen, aber das ist ja im Grunde eine geschlossene Plattform, auf der sich Apple das Material aneignet, das noch dazu nur mit einer Anmeldung zugänglich ist. Das widerspricht der Idee frei zugänglicher Bildung.

Die Vorlesung steht natürlich unter der Creative-Commons-Lizenz cc-by-sa 3.0 für Deutschland, schließlich bin ich ja schon für meine Arbeit bezahlt worden.

Leider kann ich – da es sich um eine Uni-Plattform handelt – nicht nachvollziehen, wie viele Leute sich die Vorlesung herunterladen (direkter Link auf den Feed), eine Kommentarfunktion fehlt ebenfalls, Flattr kann ich auf einer Uni-Seite auch nicht einsetzen (um wenigstens durch die flattr-Klicks ein Feedback zu haben). Daher bitte ich diejenigen, die ein Feedback geben wollen, dies hier oder per E-Mail zu tun. Obwohl die Syntax natürlich eine etwas esoterische Disziplin ist, hoffe ich auf etwas Interesse.

SIGINT und CSD in Köln

Vom 5. bis 7. Juli 2013 fand der Sommerkongress des Chaos Computer Clubs, die so genannte SIGINT 2013 im Kölner Mediapark statt. Wie immer gab es ein paar Vortrags-Highlights, zum Beispiel den Vortrag von Kay Hamacher über statistische Fallen und – besonders unterhaltsam und erschreckend zugleich: einen Vortrag über die Möglichkeit, Briefwahlen zu fälschen.

Zufälligerweise fand an diesem Wochenende auch der Christopher-Street-Day in Köln statt, den ich noch nicht kannte. Dank einer Einladung von Kölner Piraten durfte ich auf dem CSD-Wagen mitfahren. Das war schon ein besonderes Erlebnis. Ich bin zwar kürzlich auch auf dem CSD-Truck der Berliner mitgefahren, aber der Kölner CSD ist anders: Er hat weniger den Charakter einer Demo als den eines Karnevalszugs. Das soll jetzt nicht abwertend klingen, denn natürlich ist es in jedem Fall eine Demo, aber wie so oft zeigt sich, dass sich auch politische Veranstaltung den lokalen Traditionen anpassen, und so kann der Eindruck entstehen, der CSD sei so etwas wie der Rosenmontagszug des Sommers. Jedenfalls ist wirklich ganz Köln auf den Beinen und feiert am Straßenrand mit.
Das ist eben anders als in Berlin, wo sich die Feiernden mehr auf der Demo selbst tummeln und nur in geringerem Ausmaß am Straßenrand. In Kölns ist das anders. Der Zug durch die engen Straßen der Innenstadt ist auch sehr interessant, weil die Menschen in den Fenstern liegen, sozusagen auf Augenhöhe mit den Mitfahrenden auf den Wagen.

Mir hat der CSD jedenfalls sehr viel Spaß gemacht. Vielen Dank an die Orga! Uns haben übrigens sehr viele Leute zugejubelt – ganz so schlimm kann es also um die Piraten nicht stehen!

app.net (ADN)

Viele haben ja schon über app.net (kurz ADN) geschrieben (einfach mal die Suchmaschine eurer Wahl befragen), jetzt tue ich es auch. Für diejenigen, die noch nie davon gehört haben: auf den ersten Blick ist app.net so etwas wie twitter mit 256 statt 140 Zeichen. Dabei ist allerdings ein Account kostenpflichtig oder man hat eine kostenlose Einladung.

Durch die längeren Posts ist ADN deutlich stärker diskussionsorientiert als Twitter. Dadurch hat es einen anderen Charakter als Twitter, das ja mehr und mehr so etwas wie ein Link-Ticker wird. Aber der eigentliche Vorteil ist die Einbindung von externen Apps: Hier gibt es schon jetzt ein paar sehr schöne Sachen (und es entstehen ja ständig neue): Besonders hübsch ist Climber, eine App, mit der Videoclips von 11 Sekunden Länge aufgenommen und auf app.net veröffentlicht werden können. Das ist etwas, das ich sonst nicht kenne und das manchmal ganz praktisch ist. Einfach mal testen!

Leider gibt es Climber bislang nur für iOS. Dafür können sich die Android-Nutzer über den meiner Meinung nach besten Client für app.net, nämlich Robin. Für iOS kann man Felix nehmen, der ist auch nicht schlecht und macht schöne Links.

Für Gespräche im Chat-Raum würde ich ja IRC nehmen, aber auch das kann ADN, nämlich mit Patter. Eine gute Idee ist auch das Umfragetool Question.

Kritik habe ich natürlich auch: Eigentlich finde ich ja verteilte Systeme wie identi.ca besser. Das befindet sich aber gerade in der Umstellung auf pump.io, und man kann sich nicht mehr bei identi.ca anmelden. Leider bezweifle ich, dass das wirklich aus der Nische raus kommt – vielleicht, wenn es da mal schöne Clients gibt.

Also: probiert es auch! Und wer noch Tipps für apps für ADN hat, bitte in die Kommentare!

Ständige Mitgliederversammlung

Dass die Piratenpartei ohne verbindliche Online-Partizipation Politik machen will, ist ziemlich unvorstellbar. Für mich ist sogar unvorstellbar, dass andere Parteien mittelfristig daran vorbei kommen, ihre Mitglieder auch online in die Entscheidungsprozesse einzubinden. Wenn ich auf Twitter von Piraten lese, dass sie eine „ständige Mitgliederversammlung“ (SMV) ablehnen, kann ich mich nur wundern: Solche Leute sind nicht etwa in der falschen Partei, sondern leben schlicht in der falschen Zeit.

Es ist bekannt, dass Wahlcomputer nicht manipulationssicher sind, so dass die Idee, Parteimitglieder anonym über das Internet abstimmen zu lassen, von vornherein verworfen werden muss. Das ist ohnehin nicht sinnvoll, denn Aufgabe von Parteien ist es ja, zur politischen Willensbildung beizutragen und das geschieht durch Diskussionen, konstruktive Debatten und Gespräche, die natürlich am besten funktionieren, wenn sich die Beteiligten kennen und vertrauen; Anonymität ist für die gemeinsame Ausarbeitung politischer Grundsätze also wenig wünschenswert.

Die SMVCon, die die Einrichtung einer SMV in der Piratenpartei vorbereitet, hat sich dafür entschieden, dass in dieser Online-Plattform die Prinzipien der Liquid Democracy angewendet werden sollen. Das ist sehr sinnvoll, denn sonst könnte eine solche Online-Mitgliederversammlung gar nicht ständig tagen, wenn alle Beteiligten immer online sein müssten. Die Delegation ermöglicht es, sich auch mal für einige Zeit auszuklinken, wenn man vorher an geeignete Leute delegiert hat, so wie das ja auch in der klassischen repräsentativen Demokratie möglich ist. Der Unterschied zu anderen Parteien mit ihren Delegierten besteht eben darin, dass alle Teilnehmer jederzeit ihre Delegationen zurücknehmen und selbst abstimmen können.

Der Konsensantrag zur SMV klammert Entscheidungen über das Parteiprogramm überraschenderweise aus. Eine SMV ohne Programmentscheidungen verfehlt meiner Ansicht nach die entscheidende Aufgabe einer Mitgliederversammlung, nämlich das Programm weiter zu entwickeln, was auf den traditionellen Parteitagen aufgrund knapper Zeit nicht so recht gelingen will. Der Grund für die Ausklammerung ist, dass das Parteiengesetz vorschreibt, Programmentscheidungen müssen auf Parteitagen vorgenommen werden. Nun ist aber gerade die ständige Mitgliederversammlung der Parteitag neuen Typs, also die Online-Weiterentwicklung des Forums, das über das Programm entscheidet. Hier muss die Piratenpartei einfach mutiger sein.

Ich hoffe sehr, dass auf dem nächsten Bundesparteitag ein Grundsatzbeschluss über eine Ständige Mitgliederversammlung gefasst wird (mit Programmentscheidungen und – was selbstverständlich ist – ohne geheime Abstimmungen). Bis dann diese SMV wirklich funktionieren wird, dürfte noch einige Zeit vergehen, aber die Entscheidung ist erst mal richtungsweisend. Ich denke auch, dass in absehbarer Zeit andere Parteien auf diesem Weg folgen werden.

Mit diesem Thema beschäftigen sich (ausführlicher) auch die Folgen 113, 114 und 117 des Klabautercasts.

#Neustart

Gerade wird in der Piratenpartei intensiv über ein Wahlkampfkonzept für die Bundestagswahl gestritten. Ich habe gleich gedacht: „Bloß nicht wieder Kühe und Euromünzen wie bei der letzten Bundestagswahl!“ Und tatsächlich gibt es unter dem Titel „Neustart“ zwei Vorschläge, die tatsächlich das Konzept „Themen und Köpfe“ sehr schön umsetzen:

  • Die Entwürfe von Peter Amende entwickeln die Bildsprache des Berliner Wahlkampfs weiter: Ich finde es sehr gut, denn die Plakate zeigen, worum es inhaltlich geht, und eben auch Köpfe normaler Menschen, nämlich der Piraten, die diese Inhalte vertreten. Das ist genau das, was ich mir von einer guten Kampagne wünsche.
  • Die Entwürfe von Fred sind künstlerisch innovativer gegenüber dem Berliner Wahlkampf, aber vielleicht im Vergleich zu Peters eine Spur zu intellektuell oder jedenfalls nerdig. Aber Ideen aus seinen Entwürfen sollten schon übernommen werden.

Plakat: Alle reden vom Internet -- Wir nichtBesonders gut gefällt mir das Plakat Alle reden vom Internet – Wir nicht, denn es verschafft einen Einblick in einen Piratenparteitag und zeigt sehr schön, wie die Piraten sind: chaotisch, bunt, aber kompetenter als andere. Zudem erkennt man auf dem Plakat bekannte Piraten wieder. Ein sehr schönes Bild!

Der Slogan #Neustart passt auch sehr schön: denn einerseits könnte er sich darauf beziehen, dass die Piratenpartei, die in den letzten Monaten eher schlechte Presse hatte, nun einen Neustart unternimmt, andererseits geht es um einen Neustart der Demokratie in Deutschland: Das System ist ja sehr gut, aber ein Neustart tut dringend Not, um schlimme Verirrungen (Hartz IV, Überwachungsstaat usw.) loszuwerden. Auch diese IT-Metapher ist treffend. Sie erinnert auch ein bisschen an Obamas Change, mit dem Unterschied, dass die Piraten und ihre Wähler das mit dem #Neustart wirklich wollen, auch wenn sie sich über Details (Vim oder Emacs) gern mal streiten.

Insgesamt bin ich bei diesen Vorlagen, über die abgestimmt werden kann, sehr zuversichtlich, dass der Wahlkampf rocken wird.

Berlinale 2013

Es ist mal wieder Berlinale in Berlin, inzwischen schon zum 63. Mal. Das bedeutet ja leider immer sehr viel Durcheinander. Ich habe mich jedoch ins Getümmel geworfen und war heute in einem wirklich empfehlenswerten georgischen Film mit dem schönen Titel: Chemi sabnis naketsi oder A Fold in my Blanket. Der Film läuft auch im Wettbewerb um den Teddy Award, wird da aber weniger Chancen haben, denn um ihn als schwulen Film zu erkennen, muss man schon Georgier sein: Es geht (unter anderem) um eine ziemlich platonische Männerfreundschaft. Überhaupt ist der Film so geschrieben, dass er die Zustände in Georgien so subtil kritisiert, dass er noch Geld von der georgischen Filmförderung erhalten kann. Dennoch muss ich ihn empfehlen. Ich fand die subtile Symbolik schon sehr faszinierend. Es ist ein durch und durch intellektueller Film. Fast jede Einstellung ist genau durchdacht. Als Sprachwissenschaftler freut mich besonders, dass die russisch-georgische Zweisprachigkeit im Film eine Rolle spielt: Die Dialoge sind überwiegend georgisch, zum Teil aber auch russisch. Sehr schön ist auch der Einblick in den georgischen Alltag. Ich hoffe sehr für den Regisseur Zaza Rusadze (der nicht nur Georgier, sondern auch Berliner ist), dass der Film in den Verleih kommt.

Schließlich bin ich vor dem Trubel geflüchtet und habe im Chaos Computer Club Berlin abends noch: http://en.wikipedia.org/wiki/TPB_AFK, den neuen Dokumentarfilm über The Pirate Bay gesehen, denn ich empfehle: Es treten dort viele bekannte Personen auf, es geht um die Hintergründe des Piratbyrån und somit auch der Piratpartiet. Außerdem kann man ständig fazialpalmieren, wenn man die Argumentation der Content-Vertreter hört.

Und wo wir schon bei Filmen sind, spreche ich gleich noch eine Filmwarnung aus: Neulich lief ja Zero Dark Thirty in Deutschland an, der Film über die Jagd auf Osama bin Laden: Kann man sehen, muss man aber nicht. Der Film hat Längen, zeigt grausame Folterszene, die aber irgendwie als gerechtfertigt und sinnvoll hingestellt werden und ist wenig spannend. Irgendwie fragte ich mich ständig, ob sich das wirklich alles so zugetragen hat, wie dort beschrieben.

Verkehrspolitik

Ich dilettiere seit ja seit einiger Zeit im Politikbereich „Verkehr“. Inzwischen habe ich neben einem Rahmenantrag (Wahlprogrammbereich: Verkehrspolitik) drei Anträge ins Liquid Feedback eingebracht, die zur Zeit in der Abstimmungsphase sind:

  1. Wahlprogrammbereich: Verkehrspolitik: Umlagefinanzierter Personenverkehr
  2. Wahlprogrammbereich: Verkehrspolitik: Shared Space, Vorrang für Schwächere
  3. Wahlprogrammbereich: Verkehrspolitik: Intelligente Verkehrsbeeinflussung durch Wechselverkehrszeichen und Telemetrie flächendeckend einführen

Das Liquid Feedback begünstigt ja Dilettanten wie mich, denn diejenigen, die sich auskennen, geben Anregung und so können Anregungen verbessert werden. Das ist auch hier geschehen: Beim ersten Antrag konnte ich auf längere Diskussionen älterer Anträge zurückgreifen, auch für den zweiten Antrag gab es Vorbilder aus Berlin (unter anderem von Christopher Lauer) und für den dritten Antrag gab es einen Vorläufer von mir selbst, durch den ich zahlreiche interessante Hinweise erhielt, z.B. dass die Finanzierung der vorgeschlagenen Maßnahmen bereits bis 2015 gesichert ist.

Die Anträge stehen meiner Ansicht nach sehr im Einklang mit dem, was Piraten wollen, nämlich:

  • größtmögliche individuelle Freiheit unter Teilhabe aller oder anders formuliert: freie Entfaltung und Chancengleichheit,
  • Infrastrukturneutralität,
  • einen dritten Weg zu gehen zwischen den verhärteten Positionen der Analogparteien.

Besonders der umlagefinanzierte Personenverkehr spiegelt die drei Prinzipien wieder, denn öffentlicher Personenverkehr ist ja Infrastruktur, an der alle teilhaben können und die Freizügigkeit ermöglicht. Außerdem kann man so Menschen dazu bringen, vom Auto auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen, ohne den Autoverkehr durch Regulierung einzuschränken. Dieser dritte Weg zeigt sich auch beim Shared Space-Konzept: Autoverkehr soll hier nicht eingeschränkt werden, dennoch macht Shared Space in Verbindung mit dem Prinzip Vorrang für Schwächere den Straßenverkehr für alle Teilnehmer angenehmer. Das gilt natürlich auch für die intelligente Verkehrsbeeinflussung, die letztlich auch das Problem der starren Geschwindigkeitsbegrenzung zugunsten einer flexiblen löst.

Ich hoffe, dass diese Ansätze Zustimmung finden, da ich sie auch deshalb für wichtig halte, weil sie charakteristisch für die Piratenpolitik sein können.

Lange Nacht der Museen

Am letzten Samstag fand in Berlin die Lange Nacht der Museen statt. Von den 31. Nächten habe ich nach meiner (hoffentlich korrekten Rechnung) nur sechs verpasst, so dass es wohl meine 25. war und ich habe die Besuche ja auch oft hier dokumentiert. So auch diesmal:

Museum für Kommunikation Berlin

1. Station: Museum für Kommunikation Berlin

Eigentlich wollten wir ja beim Dalí-Museum beginnen, weil sich der Besuch dort wegen des hohen Eintrittspreises angeblich nur in der Langen Nacht lohnt, aber den gleichen Gedanken hatten wohl Viele und die Schlange war einfach zu lang. So ersetzten wir den Besuch einfach durch einen Rundgang durch das Museum für Kommunikation Berlin. Das lohnt sich bekanntlich immer, schon wegen des eindrucksvollen Gebäudes. Das von Sarah Wiener betriebene Museumscafé kann ich nicht empfehlen, denn eine Apfelschorle für 4,60 Euro bei Selbstbedienung (die zu wünschen übrig ließ) ist einfach zu teuer. Man sitzt dazu eher ungemütlich auf Holzstühlen auf einer „nackten“ Terrasse.

2. Station: Deutsches Currywurst-Museum Berlin

Das Museum ist zwar klein, aber recht gut gemacht. Vor allem Kinder dürften hier ihren Spaß haben. Die Currywurst, die wir uns am Ende des Besuchs gönnten, war offenbar dampfgegart, jedenfalls sehr labberig, die scharfe Soße nicht scharf. Da gibt es bessere Adressen, die ja auch im Museum Erwähnung fanden. Keine Erwähnung fand hingegen die Ketwurst (es sei denn, ich habe sie übersehen).

3. Station: Ephraim-Palais

Die Ausstellung BerlinMacher im Ephraim-Palais ist unbedingt sehenswert: Es geht um Leute, die Berlin gemacht haben. Da ich den Katalog zwar gekauft, aber noch nicht gelesen habe, kann ich noch nicht sagen, nach welchen Kriterien die Macher ausgewählt wurden, eine interessante Sammlung ist es aber allemal. Im Haus war auch ein Stand von Wikimedia. Warum der aber ganz oben und nicht bei den BerlinMachern untergebracht war, erschloss sich mir nicht, denn gerade bei den BerlinMachern griff ich das eine oder andere Mal zur Wikipedia, um zusätzliche Informationen zu erhalten.

Nikolaikirche

4. Station: Nikolaikirche

Nach einem Zwischenstopp im Georgbräu (das leider seine Terrasse schon um 21.30 Uhr schließt), kamen wir zur Nikolaikirche, wo ich zuletzt bei ihrer (Wieder-) Eröffnung 1987 war, zur 750-Jahrfeier von Berlin, damals noch Hauptstadt der DDR. Da hat sich doch einiges verändert! Insbesondere die Ausleuchtung ist sehr gelungen. Eindrucksvoll ist auch das Zehdenicker Altartuch, über das noch ein Wikipedia-Artikel fehlt (den ich leider mangels verfügbarer Informationen nicht schreiben kann).

Atari ST

5. Station: Computerspielemuseum Berlin

Da es inzwischen zu spät war für die leider nur bis 22 Uhr mögliche Terrassenbegehung beim Café Sibylle, übersprangen wir diese Station und begaben uns direkt zum Computerspielemuseum. Das war auch gut so, denn man kann dort viel Zeit verbringen, selbst wenn das Museum nicht besonders groß ist. Etwas schade fand ich, dass die nur gelegentlich bespielbaren Geräte nicht zur Langen Nacht eingeschaltet waren. Das wäre doch ein guter Anlass gewesen, aber wahrscheinlich möchte man das Publikum zum Wiederkommen animieren. Es empfiehlt sich daher der Besuch an einem Montag zwischen 18 und 20 Uhr.

Das war dann auch schon das gesamte Programm, das wir geschafft haben. Irgendwie ist die Lange Nacht dann doch gar nicht so lang. Vielleicht sollte wirklich früher begonnen werden (gerade im Winter). Außerdem ist es natürlich nicht gut, dass bestimmte Besichtigungen nur bis 22 Uhr oder Mitternacht möglich sind. Dennoch lohnt die Lange Nacht immer und ist im Sommer auch noch klimatisch angenehm.

Lila Piraten – Bericht aus Wien

In der vergangenen Woche war ich in Wien und hatte Gelegenheit, die österreichischen Piraten (kurz) kennen zu lernen. Was natürlich zuerst auffällt, ist, dass sie (getreu dem schwedischen Vorbild) Lila zu ihrer Parteifarbe gewählt haben. Das dunkle Lila wirkt auf mich etwas konservativ im Vergleich zum deutschen Orange. Und tatsächlich scheinen mir die österreichischen Piraten im Vergleich zu den Deutschen konservativer zu sein, und zwar nicht in inhaltlichen Fragen (ich hatte leider nicht die Zeit dazu, mich mit Inhalten zu beschäftigen), sondern was die Art angeht, wie Politik (insbesondere die Programmentwicklung) bei ihnen gemacht wird. Man setzt dort sehr auf Verfahren, die ich als Politik 1.0 bezeichnen würde, nämlich auf die Erarbeitung von Positionen in so genannten Task Forces, nämlich Arbeitsgruppen, deren Einrichtung von der Zustimmung des Vorstands abhängt. Ich halte das für problematisch, da die Abhängigkeit von einer Vorstandsentscheidung nicht gerade ein Bottom-Up-Modell ist und so mit den Arbeitsgruppen thematische „Hoheitsgebiete“ entstehen, die der Idee der freien thematischen Vernetzung nach dem Vorbild des Internets entgegenstehen. Zumal auch Entscheidungen im österreichischen Liquid Feedback offenbar von den Task Forces kontrolliert werden sollen (so äußerte sich jemand in der Vorstellung der österreichischen LQFB-Instanz). Außerdem konnte in Deutschland die Erfahrung gemacht werden, dass nur die wenigsten Arbeitsgruppen wirklich funktionieren.

Ein Politik-2.0-Ansatz würde es vielmehr ermöglichen, dass man sich zur politischen Arbeit (insbesondere zur Programmarbeit) frei vernetzen kann: Einzelpersonen, lokale Gruppen, Freundeskreise, Task Forces usw.: alle können Texte entwickeln. Es muss dann nur einen definierten Prozess geben, wie daraus Parteitagsbeschlüsse werden. Das kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass solche Texte in eine Art „Backbone“ geworfen werden, so dass sie von der Gesamtpartei (oder der zuständigen Untergliederung) diskutiert und beschlossen werden können. Ein solches „Rückgrat“ könnte Liquid Feedback sein.

Die österreichischen Piraten haben eine LQFB-Instanz, doch verspürte ich eine gewisse Angst vor dem konsequenten Einsatz dieses Werkzeugs. Vielleicht liegt diese Angst darin begründet, dass LQFB fälschlicherweise für ein basisdemokratisches Werkzeug gehalten wird. Das ist es aber nicht: Liquid Democracy ist bekanntlich ein Kompromiss zwischen direkter und repräsentativer Demokratie. In LQFB kann man sehen, wie schnell Delegationseliten entstehen. Das ist aber nicht schlimm, sondern eher ein Vorteil von LQFB, weil (1) dank der Delegationen die Arbeit noch funktioniert, wenn die Zahl der Anträge stark zunimmt (ohne Delegation wäre die Programmentwicklung ein Vollzeitjob) und weil (2) die Delegationsketten sichtbar sind: Damit kann bei einer Entfremdung von Basis und Elite sofort eine Kampagne gestartet werden, um ein Delegationskartell aufzubrechen, das systematisch im Widerspruch zur Basis agiert. Ein weiterer Vorteil (3): Der repräsentative Anteil der Liquid Democracy ist auch ein probates Mittel gegen Populismus.

Ich hoffe, dass die österreichischen Piraten die Stärken von LQFB begreifen und das System dann auch richtig nutzen. Aus Deutschland ist ja bekannt, was für dicke Bretter da zu bohren sind.

Bulb Fiction

Ich habe gerade den Film Bulb Fiction gesehen, den ich allen empfehle, die sich für Polit-PR und Neusprech interessieren. Es geht um die Kompaktleuchtstofflampe, besser bekannt als Energiesparlampe und die mit ihr verbundene Propaganda. Besonders gegen Ende gibt es eine schöne Stelle, wo die Sprecherin des EU-Energiekommissars eindrucksvoll vorführt, wie politische Kommunikation funktioniert, indem man nicht nur die eigentlichen „offiziellen“ Antworten sieht, sondern auch, was davor oder danach passiert.

Hier eine kurze Zusammenfassung der Doku, die sicher nicht zu viel verrät: Das Problem bei Energiesparlampen ist das darin enthaltene Quecksilber, das entweicht, wenn der Glaskörper zerbricht. Das ist besonders dann gefährlich, wenn der Glaskörper zerbricht, während die Lampe leuchtet, da dann alles Quecksilber gasförmig ist. Die Mengen sind nicht unerheblich und durchaus (besonders für Kinder) gefährlich. Zudem ist das Recycling der Lampen problematisch und es gibt kein Endlager für Quecksilber. Es geht in der Doku jedoch vor allem darum, wie die PR für diese Lampen gelaufen ist und immer noch aussieht. Dabei wird genau beleuchtet, wie es zu ihrer Durchsetzung kam.

Der Film verfehlt seine Wirkung nicht. Mancher Zuschauer ist wohl (wie ich) im Anschluss richtig wütend und möchte seine Energiesparlampen gleich gegen LED-Lampen austauschen, die leider im Film unerwähnt bleiben. Das ist eine Schwäche des Films, denn zu Heatball-Lampen zurückzukehren, ist sicher auch kein guter Weg.